Es muss nicht immer Frankreich sein
Dieser lang ersehnte Urlaub stand schon seit dem letzten Jahr fest. Über die Pfingsttage sollte es mit meiner Familie an einen kleinen Natursee mit Campingplatz nach Frankreich gehen. Ich mit dem Brolly am See, meine Eltern mit meiner Schwester im Wohnmobil am Campingplatz. Die Vorfreude wurde jedoch eine Woche vor Abreise zerschlagen. Der Campingplatz hatte Insolvenz angemeldet und wir erreichten niemanden, der uns sagen konnte, ob dennoch vor Ort geangelt werden konnte. Das Risiko diese Reise auf uns zu nehmen, um festzustellen dass dort kein Angeln mehr möglich wäre, wollten wir nicht eingehen und suchten nach einer Alternative. Unser Augenmerk fiel jedoch nicht auf einen See in Frankreich, sondern auf einen kleinen Stausee in Deutschland. Dieser war nicht allzu weit entfernt und so buchten wir recht spontan dort einen Stellplatz.
Freitags fuhr ich um die Mittagszeit los und erreichte Nachmittags das für mich unbekannte Gewässer. Das Nachtangeln mit Gastkarte war dort in bestimmten Bereichen erlaubt. Ein erster Rundgang und Gespräche mit anderen Anglern vor Ort gaben mir erste Eindrücke. Der See war sehr strukturarm. Das alte Flussbett war im Durchschnitt ca 2,5-3m tief. Von dort aus stieg der Untergrund sehr langsam und gleichmäßig zum Ufer hin an. Die Klassische „Badewanne“.
Nachdem das Camp an Ort und Stelle aufgebaut war, spürte ich die Erleichterung und Ruhe in mir. Drei Tage dem stressigen Alltag entfliehen und ohne großen Kontakt zur Außenwelt alleine am See verbringen. Ganz der Natur lauschen und für den Augenblick die Zeit komplett vergessen. Genau deshalb gehe ich Karpfenangeln.
Bis 19:00Uhr saß ich, von einem Baum vor der Sonne geschützt, hinter meinen Ruten. Ich hatte wieder meine 9ft Stalkerruten im Gepäck, da ich gehofft hatte mein Schlauchboot nutzen zu dürfen und sich das Auslegen mit den kurzen Stöcken einfacher gestaltet hätte. Aber es ging auch ohne, denn einzig Vereinsmitglieder durften hier mit dem Boot aufs Wasser. Dann lief plötzlich auch schon die erste Rute ab. Ich realisierte den Biss erst einige Sekunden später, hatte den Fisch aber im Drill. Schnelle ruckartige Schläge sprachen für einen kleinen Karpfen. Leider schlitzte dieser Fisch aus, bevor ich ihn an der Oberfläche sehen konnte.
Futter und Taktik
Auf eine großflächige Futteraktion habe ich absichtlich verzichtet. Die Fische standen im Laich und mir war klar, dass sie nicht auf grosse Mengen Futter anspringen würden. Ich sah zwar andere Angler, die eine Spomb nach der anderen in die Seemitte klatschen ließen, aber ich wusste auch, dass dies bisher nur sehr wenig Erfolg gebracht hatte.
An neuen Gewässern setze ich auf Köder und Montagen, denen ich auch an meinen Hausgewässern vertraue. So wurde eine Rute mit einem Darkfirefly Pineapple Pop-Up, die andere mit einem 14mm Pre-Drilled Hallibut Pellet, bestückt. Am Hakem befestigte ich einen kleinen PVA-Sack mit kleinen M3 Pellets aus der Premium Range. Mit dem Boiliewurfrohr wurden noch vereinzelt M3 Boilies auf die Plätze befördert.
Mein Vater kam immer abends mit dem Fahrrad vom Campingplatz zu mir und fischte die erfolgsversprechenden Nächte mit. Denn tagsüber waren die Ruten meist ruhig und brachten wenig Aktivität. Einzig Schwäne und Enten zogen ihre Kreise und naschten von unseren Futterplätzen.
In der ersten Nacht konnten wir gleich 5 Fische fangen, das Gewicht steigerte sich von Fisch zu Fisch. Anfänglich noch kleinere Satzkarpfen, lag am Morgen der erste bessere Spiegelkarpfen mit 10kg in meinen Händen.
Vom sehr zentral gelegenen Platz aus konnte ich tagsüber den See genaustens beobachten. Die Angler auf der anderen Seeseite fingen die Nacht nichts, doch kescherten drei gute Fische im Laufe des Tages. Sie fischten im tieferen Bereich des alten Flussbettes. Es lag auf der Hand, dass die Karpfen sich dort tagsüber zurückziehen und so montierte ich meine Ruten um, damit ich möglichst weit werfen und in die Nähe des Flussbetts meine Köder platzieren konnte.
Es war mittlerweile später Nachmittag und zwei Brassen hatten sich als Beifang angemeldet. Dann gegen 19:00Uhr ertönte der ersehnte Dauerton aus den Delkims. Nach einem kampfstarken Drill lag der bis dato grösste Spiegler des Trips mit 12kg im Netz. Schnell wurden Bilder gemacht und die Rute neu rausgeworfen.
Erstaunlicherweise wurde das Chod-Rig bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal angefasst, sodass ich hier auf einen in Baitdip eingelegten M3 Wafter umrüstete.
Plötzlich Fressrausch
Nun wurde es hektisch, der Wetterbericht kündigte eine heftige Regenfront an. Wir hatten gerade alles wetterfest verpackt als es zu Regnen begann. Starker Platzregen prasselte auf unsere Brollys und wusch den angesammelten Staub des Tages den Schirm herunter. Bis zum nächsten morgen sollte dieser Zustand andauern. Im Schutze der Dunkelheit hüpften unzählige winzige Krötenbabys quer durch unser Camp. Doch der Regen und die einhergehenden kälteren Temperaturen hatten nicht nur die kleinen Amphibien wach werden lassen, die Fische bekamen eindeutig Fresslust. Das Klatschen springender Karpfen übertrumpfte regelmäßig die Beschallung des Platzregens.
Die ersten Fische ließen nicht lange auf sich warten. Wie in der Vornacht gingen zuerst kleinere Exemplare an den Haken.
Nach jedem Drill waren wir komplett durchnässt. Glücklicherweise hatten wir genug Wechselwäsche dabei und so war nicht wirklich an Schlaf zu denken. 8 Fische hatten bis zum Mittag den Weg in unseren Kescher gefunden. Höhepunkt war ein 14kg Spiegelkarpfen mit schönem Schuppenbild.
Mein Vater setze dem Trip noch das I-Tüpfelchen auf und fing einen 16kg twotone Spiegelkarpfen am letzten Abend.
Zusammengefasst konnten wir 15 Karpfen innerhalb von drei Tagen fangen. Ein super Ergebnis, wenn man bedenkt, dass wir ohne Vorkenntnisse ein neues, für uns vollkommen unbekanntes, Gewässer befischt haben. Die Taktik, wenig Futter zu benutzen zahlte sich aus. Bald steht der nächste Trip an und hoffentlich wird die Matte auch diesesmal tüchtig nass.
Bis bald Sebatian
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